ELI – Laserforschung von morgen
Unerreichte Leistungsdichten, spektrale Brillanz und hohe Pulsfrequenzen – mit ELI („Extreme Light Infrastructure“) entsteht eine weltweit einzigartige Laser-Großforschungseinrichtung. Sie verteilt sich auf drei osteuropäische Standorte und erlaubt Forschenden, Fragstellungen aus der Kernphysik, Materialforschung und den Lebenswissenschaften nachzugehen.
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Ort:
Rumänien, Tschechien und Ungarn -
Baukosten:
850 Millionen Euro -
Beteiligte Länder:
Bulgarien, Deutschland, Italien, Litauen, Rumänien, Tschechien, Ungarn -
Ziel:
Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie bei höchster Intensität und auf kürzesten Zeitskalen untersuchen -
Anwendungsbeispiel:
Laserfusion, Entschärfung radioaktiver Abfälle -
Gerätetyp:
Hochleistungslaser -
Messmethode:
Verschiedene -
Untersuchungsobjekt:
Materie, Atomkerne -
Bauphase:
2012 bis 2019 -
Rechtsform & beteiligte Institutionen:
ELI ERIC -
Größe:
3 Standorte -
Experimentdetails:
Max. Leistung: 10 Petawatt
Max. Photonenenergie: 19 Megaelektronvolt
Welche Erkenntnisse ELI liefert
Normalerweise nutzen Physikerinnen und Physiker große Teilchenbeschleuniger, wenn sie Experimente mit energiereicher Strahlung durchführen wollen. Für viele Forschungsfragen bieten extrem leistungsstarke Laser mit kurzen Pulsen allerdings eine vielversprechende und günstige Alternative. Auch um Materialien und schnelle Vorgänge in Atomen, Molekülen, Plasmen oder Festkörpern zu analysieren, eignet sich die Lasertechnologie. Sie eröffnet Möglichkeiten, die noch längst nicht ausgeschöpft sind. Und hier knüpft die europäische Großforschungseinrichtung Extreme Light Infrastructure (ELI) an, die in den drei Ländern Tschechien, Rumänien und Ungarn aufgebaut wurde. Die Laserzentren ergänzen sich in ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung und stehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt offen, um die Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie bei höchster Strahlungsstärke zu erforschen. Jeder Standort konzentriert sich dabei auf verschiedene Fragestellungen aus der Kernphysik, Materialforschung und den Lebenswissenschaften. Zusätzlich werden alle ELI-Zentren Lasertechnologie entwickeln und das Anwendungsspektrum erweitern.
Die Einrichtung „ELI Beamlines“ in Dolní Břežany nahe Prag bietet Forschenden sehr unterschiedlicher Fachgebiete Experimentierplätze für die Grundlagenforschung. ELI-Beamlines betreibt vier primäre Lasersysteme, welche die Basis für sekundäre Laser- wie auch Teilchenquellen bilden. Die sekundär erzeugten, hochfrequenten Laserpulse, deren Länge jeweils im Femtosekundenbereich (eine Billiardstel Sekunde) liegt, können die Forscherinnen und Forscher zur Diagnostik in der Medizin sowie in der Biologie und Materialforschung nutzen. Die Teilchenstrahlen wiederum eignen sich für die therapeutische Medizin. Schon heute setzen Ärztinnen und Ärzte hochenergetische Ionenstrahlen ein, um bösartige Tumore zu behandeln. Weitere geplante Forschungsfelder sind Laserplasmaphysik sowie Physik bei hohen Energien und Felddichten. Mit den gepulsten Lasern von ELI Beamlines lassen sich Leistungen von bis zu zehn Petawatt während eines 150 Femtosekunden dauernden Laserblitzes erreichen.
Das ELI-Zentrum „ELI-ALPS“ bei Szeged in Ungarn stellt hochfrequente Laserpulse im extremen Ultraviolett- und im Röntgenwellenbereich bei einer Pulsdauer im Bereich von Attosekunden (Tausendstel Femtosekunden) und mit Wiederholraten zwischen 10 Hertz und 100 Kilohertz bereit. Durch die ultrakurzen Pulse können Momentaufnahmen von extrem schnellen Vorgängen in Atomen, Molekülen, Plasmen und Festkörpern aufgenommen werden. Aus den Messungen wollen die Forscherinnen und Forscher etwa den zeitlichen Ablauf von Ionisationsprozessen in Molekülen ermitteln oder Schwingungen und andere Bewegungen von Ladungen oder Ladungsansammlungen in Molekülverbindungen untersuchen. Außerdem eignen sich die Laserquellen von ELI-ALPS für die Festkörperphysik, etwa um an Oberflächen von Festkörpern Plasmen auf der Nanoskala zu erzeugen oder Elektronentransferprozesse zu beobachten. Weiterhin verfolgt ELI-ALPS das Ziel, extrem hochenergetische Laserpulse mit zweihundert Petawatt Leistung zu erzeugen.
An der Forschungseinrichtung „ELI-NP“ in Măgurele nahe der rumänischen Hauptstadt Bukarest wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe neuartiger Lasertechnologie vor allem kernphysikalische Reaktionen untersuchen. Da diese Vorgänge bei extrem hohen Energien und in kurzen Zeiträumen ablaufen, war es bisher unmöglich, diese Reaktionen anzuregen und zu beobachten. ELI-NP kann Laserstrahlung mit den notwendigen Eigenschaften generieren. Hierbei wird die Laserstrahlung nicht direkt mit den Kernen in Wechselwirkung treten, sondern sie wird eingesetzt, um Ionen- und Elektronenstrahlen sowie hochbrillante Gammastrahlung zu erzeugen. Diese interagiert dann mit den Kernen. Eines der Forschungsziele ist es, die schädliche Wirkung radioaktiver Abfälle zu reduzieren.
Wie ELI funktioniert
Die Lasersysteme in den drei Zentren variieren in ihrem Aufbau, ihrer Intensität und ihrer Laserpulsdauer. Eines haben aber alle Laserquellen gemein: Sie funktionieren im Wesentlichen wie ein klassischer Laser. Die Technik dahinter beruht auf einem speziellen physikalischen Effekt mit dem Namen „stimulierte Emission“. Dieser Effekt ist auch in der Bezeichnung Laser verankert, was für „Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation“ steht. Übersetzt heißt dies „Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung“ und funktioniert, vereinfacht dargestellt, folgendermaßen: Wenn Strom oder Licht auf Atome in einem bestimmten Material trifft, dann setzen die Atome überschüssige Energie in Form von Licht (Photonen) frei. Das getroffene Material kann fest, flüssig oder gasförmig sein und wird als Lasermedium bezeichnet. Die Photonen regen weitere Atome an, die vorübergehend ihren Energielevel verändern und überschüssige Energie in Form von Licht abgeben. Beim Laser sorgt ein sogenannter Resonator im Inneren dafür, dass der Vorgang synchron abläuft und die Photonen im Gleichtakt schwingen. Der Resonator ist mit zwei Spiegeln ausgestattet. Diese reflektieren den Lichtstrahl, der wieder auf Atome trifft und die Reaktionskette erneut anstößt. Generell gilt: Die Anzahl der Atome mit überschüssiger Energie muss höher sein, als jene im Normalzustand. Sie sind die Voraussetzung, damit der Laser funktioniert. Das gewünschte Ungleichgewicht hält eine permanente Quelle aufrecht, auch als Pumpe bezeichnet. Sie speist kontinuierlich neue Energie in das System. Damit ein Teil des Lichts den geschlossenen Kreislauf verlassen kann, ist einer der Spiegel minimal durchlässig. So dringt ein Photonenstrahl nach außen. Dies ist der typische Laserstrahl, den wir beim Laser sehen. Im Vergleich zu konventionellen Lasern erreichen die ELI-Systeme sehr hohe Strahlungsstärken in Relation zu der Gesamtstrahlungsleistung. Erst durch diese besonderen Eigenschaften erlaubt ELI den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit den Lasern extreme Materiezustände zu erforschen
Wer an ELI beteiligt ist
Neben Rumänien, Tschechien und Ungarn sind als weitere Partner Deutschland, Italien, Litauen und Bulgarien an der Extreme Light Infrastructure ELI beteiligt. Die Lasertechnologie hat eine große Bedeutung für den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Daher ist es für Deutschland maßgeblich, in diesem Sektor mit exzellenten Partnern zu kooperieren und sich an ELI aktiv zu beteiligen. So können auch Forschungseinrichtungen in Deutschland ihre Kompetenzen weiter ausbauen. Ergänzend fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung gezielt Projekte an den ELI-Einrichtungen. Damit stärkt Deutschland seine Position in der Kernphysik sowie der Material- und Medizinforschung weiter. Darüber hinaus wird ELI zusätzliche technische Entwicklungen beeinflussen, wie etwa den Bau kompakter lasergetriebener Teilchenbeschleuniger oder die nötigen Lasertechnologien für Fusion. Außerdem sind die Strukturen ideal, um wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden.
ELI ist als europäisches Gemeinschaftsprojekt Teil der deutschen Roadmap für Forschungsinfrastrukturen und der Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI). ELI ist die erste europäische Forschungsinfrastruktur, deren Bau mit Mitteln aus einem EU-Strukturfonds, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), finanziert wurde.
Was gerade an ELI passiert
Die Extreme Light Infrastructure ist an vielen Stellen bereits erfolgreich installiert worden. Seit einiger Zeit wird die gesamte ELI-Infrastruktur schrittweise in Betrieb gegangen, worin Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt involviert sind. Erste Experimente an allen drei Standorten demonstrieren die Leistungsfähigkeit der Laser und Experimentierstationen. Eine solche Großforschungseinrichtung für Experimente an und mit Lasern ist weltweit einmalig und bietet bisher unerreichbare Möglichkeiten für Forschende verschiedenster Fachdisziplinen.
In Zukunft sollen alle ELI-Standorte eine gemeinsame paneuropäische internationale Laser-Nutzereinrichtung darstellen. Dafür werden nach und nach die einzelnen Zentren in eine gemeinsame Betreibergesellschaft – ELI European Research Infrastructure Consortium (ELI-ERIC) – überführt.
zuletzt aktualisiert: Mai 2023