Finger in einem Schutzhandschuh halten eine Solarzellen-Folie

HZB/Johannes Beckedahl, Lea Zimmerman

ErUM-Transfer – Innovationen aus der Grundlagenforschung

Innovationen bilden die Basis für Wohlstand und Fortschritt. Doch wie entstehen Innovationen in einer modernen Gesellschaft, geprägt von KI, gigantischen Datenmengen und großen globalen Herausforderungen? Die Vergangenheit hat gezeigt: häufig entstehen disruptive Technologien auf Basis zuvor gewonnener Erkenntnisse – auch, wenn deren Potenzial zunächst gar nicht offensichtlich erscheint.

Naturwissenschaftliche Grundlagenforschung ist und bleibt der stärkste Motor für neuen Erkenntnisgewinn. Wie kaum ein anderes Land schaut gerade Deutschland auf eine lange Tradition exzellenter Grundlagenforschung zurück. Sie hat einen maßgeblichen Anteil an der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte Deutschlands.

Mit dem Aktionsplan ErUM-Transfer will das BMBF dieser traditionellen Verbindung eine neue Dynamik geben. Ziel ist das Knowhow aus der Grundlagenforschung künftig noch schneller in die Anwendung zu bringen. Wie kann das gelingen? Indem wir Brücken bauen, um Wissenschaft und Wirtschaft stärker zu vernetzen und die jeweiligen Bedarfe passgenau zu identifizieren. Denn schon heute leisten nationale und internationale Großgeräte einen wichtigen Beitrag, um die Innovationen von morgen und übermorgen zu ermöglichen.

Allein der Bau und Betrieb von Großgeräten lässt Wissenschaftlerinnen und Ingenieure regelmäßig an die Grenzen des technisch machbaren stoßen. Genau in diesem Grenzbereich entstehen jedoch Innovationen. Die entwickelten Speziallösungen entfalten häufig erst in einem anderen Kontext ihr volles Potenzial: Das World Wide Web, Ceran-Kochfelder oder WiFi sind historische Beispiele hierfür – sie alle haben ihren Ursprung an Großgeräten.

Zu Beginn des Zeitalters der Künstlichen Intelligenz wird der Aktionsplan ErUM-Transfer dazu beitragen, den Weg für neue, disruptive Innovationen zu ebnen – und dabei helfen, gegenwärtige und zukünftige zu meistern: So waren Großgeräte ausschlaggebend, um die Struktur des Coronavirus zu analysieren. Auch beim zukunftsweisenden Thema Batterieforschung helfen diese Forschungsinfrastrukturen mikroskopische Prozesse im Inneren darzustellen, um so bessere Batterien zu entwickeln. Eingebettet in das Rahmenprogramm „Erforschung von Universum und Materie“ (ErUM) schafft der Aktionsplan ErUM-Transfer die strategischen Rahmenbedingungen, um das Innovationspotential der Forschung voll auszuschöpfen. Der Aktionsplan ErUM-Transfer hat einen offenen, lernenden Handlungsrahmen und wird kontinuierlich weiterentwickelt und regelmäßig evaluiert.

Erfolgsbeispiele

Lipidhüllen-Untersuchung von mRNA-Impfstoffen durch BioNTech an PETRA III

Als sich die Welt mit der COVID-19-Pandemie konfrontiert sah, hatte die Forschung bereits ein Ass im Ärmel: Schnell konnte auf mRNA-Basis ein Impfstoff entwickelt werden. Möglich wurde dies nur, weil zuvor jahrelang daran geforscht wurde – und gerade die Grundlagenforschung hat hier einen wichtigen Beitrag geleistet. Forschende der Firma BioNTech nutzten die Röntgenquelle PETRA III, um das Virus besser zu verstehen und Impfstoffe zu optimieren.

Eine Frau zeigt auf einen Bildschirm, der eine Molekülstruktur anzeigt

Wirkstoffscreening an PETRA III

Gemeinsam mit Forschungsgruppen der Universitäten Mainz, Tel Aviv und Leiden sowie des Forschungszentrums Jülich und des EMBL untersuchte BioNTech an einer Messstation der Röntgenquelle, wie sich mRNA in sogenannte Lipid-Nanopartikel verpacken und damit besser in menschliche Zellen einschleusen lässt. Dies ist entscheidend, denn nur wenn die mRNA ihren Weg in menschliche Zellen findet, wirkt der mRNA-Impfstoff im Körper. Fehlt der mRNA hingegen die richtige Hülle, ist der Impfstoff wirkungslos.

Das BMBF fördert innerhalb des Rahmenprogramms „Erforschung von Universum und Materie“ die Weiterentwicklung von PETRA III und ermöglicht damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus diversen Bereichen die Nutzung exzellenter Experimentiermöglichkeiten. Neben den Forschenden von Universitäten und Forschungseinrichtungen nutzen Unternehmen wie BioNTech die Röntgenquelle und treiben Forschungsprojekte mit direkter medizinischer Relevanz voran.

Green IT Cube: nachhaltiges Höchstleistungsrechenzentrum bei FAIR

Rechenzentrum mit Computerschränken

Green IT Cube

Großforschungseinrichtungen wie Teilchenbeschleuniger verschieben regelmäßig die Grenzen des technisch machbaren – auch, indem innovative Lösungen entwickelt und implementiert werden. Gerade im Bereich der Datenverarbeitung bedarf es innovativer Lösungen, um das stetig wachsende Datenvolumen zu sammeln und sinnvoll zu organisieren und zu interpretieren. Die Verarbeitung großer Datenmengen führt gerade bei Rechenzentren zu einem immer höheren Energieverbrauch. Am Teilchenbeschleuniger FAIR bei Darmstadt geht man mit dem Green IT Cube neue Wege: Das neue Rechenzentrum setzt auf Wasserkühlung der Computer anstatt auf Luft, wie es sonst meist der Fall ist. Die Abwärme kann so zur Heizung eines Büro- und Kantinengebäudes genutzt werden. Das macht den Green IT Cube besonders effizient – und das spart im Vergleich zu normalen Rechenzentren bis zu 50 % Energie.

Entwickelt wurde das Gesamtkonzept für die im Green IT Cube verwendete Technologie von Prof. Volker Lindenstruth (Goethe-Universität Frankfurt und von 2011 bis 2017 Leiter der wissenschaftlichen IT an der GSI). Bereits 2020 wurde das Konzept patentiert; die ökonomische Verwertung der Technologie erfolgt über die Münchner Firma NDC DATA Centers GmbH. Zukünftig soll der Green IT Cube nicht nur als Rechenzentrum für FAIR dienen, sondern zu einem Forschungs- und Transferzentrum mit dem Themenschwerpunkt „Wasserkühlung von Großrechnersystemen“ ausgebaut werden. Dann sollen auch Partner aus Forschung und Industrie von der grünen Technologie des Rechenzentrums profitieren.

Blue Yonder: Am CERN entwickelte Analysemethode macht Handel rentabler und nachhaltiger

Um große Datenmengen auszuwerten, entwickeln Forschende in der Teilchenphysik innovative Methoden, das Potenzial Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernens voll auszuschöpfen. Mit neuronalen Netzen, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind, gehen sie den kleinsten Teilchen auf die Spur und erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Gang mit Supermarktregalen, die mit Lebensmitteln gefüllt sind

Gefüllte Regale im Supermarkt

Die hier entwickelten Ansätze und Methoden bergen auch für Privatunternehmen immenses Potenzial, beispielsweise im Bereich Logistik und internationaler Handel. So nutzt das Unternehmen Blue Yonder Methoden, die ursprünglich aus der Teilchenphysik stammen – so ist es zu einem zu weltweit führenden Anbieter für KI-Dienstleistungen aufgestiegen. Seinen Ursprung hat Blue Yonder in der BMBF-geförderten Forschung im Rahmen von ErUM für das CERN.

Blue Yonder erstellt Prognosen zu komplexen, datenbasierten Fragestellungen. Auf diese Weise lässt sich etwa die Nachfrage nach Produkten vorhersagen, was wiederum dabei hilft, die optimalen Lagerstände zu ermitteln und so Engpässe oder Abfälle zu reduzieren. Blue Yonder ist mit seinem Unternehmenskonzept sehr erfolgreich. 2021 wurde Blue Yonder Inc. für einen Gesamtkaufpreis von 7,1 Mrd. USD (ca. 5,9 Mrd. €), geschätzter Gesamtwert 8,5 Mrd. USD an Panasonic verkauft. Die Firma beschäftigt derzeit rund 5500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und erwirtschaftete 2021 einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar.

Quelle: https://fis-landschaft.de/transfer/